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Future Faking ist ein psychologisches Muster, das tiefgreifende Auswirkungen auf alle Beteiligten hat.

Der Begriff stammt aus dem Spektrum des Narzissmus, wobei dieses Verhalten sowohl bei malignem Narzissmus als auch bei vulnerablem Narzissmus zu beobachten ist. Beim malignen Narzissmus dient das Versprechen einer besseren Zukunft oft dazu, das Gegenüber zu blenden und emotional zu manipulieren, um die eigene Macht und Kontrolle zu sichern.

Aber auch Opfer von Trauma und Missbrauch zeigen oft narzisstische Tendenzen, möchten dieser Realität aber meist ungern in die Augen schauen. Solange sie aber nicht erkennen wollen, ziehen sie immer wieder tatsächliche durch und durch toxische Menschen in ihr Leben. Lasse die Bewertung „narzisstisch ist schlecht“ los. Aktuell ist gefühlt jeder ein Narzisst und dabei immer der böse Täter. Es gibt aber auch Facetten dieser Thematik, die viel tiefschichtiger sind und wo ein klares Täter/Opfer-Narrativ schlicht falsch ist. Jeder Mensch hat narzisstische Anteile, was auch gesund ist. Vor allem, wenn man Opfer wurde, kann diese grandiose falsche Identität Leben retten. Wichtig ist nur, eines Tages loszulassen, was dir und anderen schadet, um auch authentisch sein zu können.

Maligner Narzisst: „Natürlich werden wir heiraten, sobald der Himmel die richtige Farbe hat!“

Im Falle von vulnerablem Narzissmus hingegen wird das „Future Faking“ häufig genutzt, um sich selbst Hoffnung zu verschaffen, da die betroffene Person in einer tiefen inneren Unsicherheit lebt und durch das Aussprechen von Zukunftsversprechungen zumindest eine vorübergehende emotionale Sicherheit erfährt.

Vulnerabler Narzisst: „Ich werde mich ändern und dann wird auch er weniger gestresst sein und dann müssen wir uns nicht trennen.“

Die Zitate sind natürlich überspitzt, aber eigentlich gar nicht so weit weg von der Realität. In allen Fällen führt Future Faking zu einer Stagnation der Energie und damit auf Dauer zu erheblichen emotionalen und psychischen Belastungen. In meiner Arbeit habe ich dieses Muster häufig beobachtet. Auch bei scheinbar psychisch „gesunden Menschen“. Der Hauptgrund für dieses Verhalten liegt oft darin, dass die Illusion einer besseren Zukunft als Schutzmechanismus fungiert. Wenn dieser Schutzmechanismus aufgelöst werden würde, würden viele in ein Gefühl der Ohnmacht und Leere stürzen. So halten sie daran fest und wollen die Thematik nicht näher beleuchten. Häufig handelt es sich dabei aber garnicht um einen aktuellen Zustand, sondern um einen weit zurückliegenden traumatischen Moment: Gefühle von Ausgeliefertsein, Angst, Einsamkeit, Verlust oder Hilflosigkeit, die tief in der Vergangenheit verwurzelt sind. Dieser Moment taucht dann wie ein Flashback auf, kaum dass man das Future Faking entlarvt. Die Illusion half damals, das Selbst zu retten und den Schmerz vorübergehend zu lindern.

Später, im Hier und Jetzt, wird das Future Faking oft nahezu automatisch reaktiviert, um aktuelle Herausforderungen zu bewältigen. Leider unterstützt die gegenwärtige Coaching-Szene, die häufig mit Marketing-Aussagen wie „Manifestiere dir alles, was du willst“ arbeitet, genau dieses Muster.
Die Konzentration auf das primäre Glück – das sich verkaufspsychologisch für das Onlinemarketing anbietet (hier muss alles schnell gehen, weil die Leute sonst weiterswipen) – tut den Betroffenen nichts Gutes. Statt eine tiefgreifende, nachhaltige Veränderung zu ermöglichen, wird hier häufig eine narzisstische Grundstruktur gefördert, die auf Selbsttäuschung und Verdrängung basiert. Was ursprünglich als Schutzmechanismus begann, entwickelt sich so zu einem Störfaktor, der die wahre Zielverwirklichung und ein erfülltes Leben blockiert. So erleben viele, dass sich ihre Probleme durch „Manifestation“ eher verstärken, anstatt echte, positive Veränderungen zu schaffen.

Primäres Glück und Sekundäres Glück

Menschen, die im Future Faking verstrickt sind, suchen oft nach primärem Glück – einer schnellen, unmittelbaren Befriedigung. Dieses Glück entsteht häufig durch äußere Bestätigung oder unrealistische Vorstellungen, die kurzfristig ein Gefühl der Kontrolle oder Erfüllung vermitteln. Doch dieses Glück ist flüchtig und bleibt oft unerfüllt, da es nicht auf echten, nachhaltigen Veränderungen basiert.

Im Gegensatz dazu steht das sekundäre Glück, das aus langfristiger Zufriedenheit und innerer Erfüllung resultiert. Es entsteht durch tiefgreifende, authentische Veränderungen im Leben und ist das Ergebnis von kontinuierlichem Wachstum sowie der Akzeptanz des Ist-Zustands – dem Mut, sich der Realität zu stellen, ohne auf eine perfekte Zukunft zu warten. Echte, nachhaltige Veränderungen im Leben kommen nicht durch das Streben nach einer idealisierten Zukunft, sondern durch die bewusste Entscheidung, jetzt im Moment zu leben und in kleinen, authentischen Schritten auf das hinzuarbeiten, was wir wirklich wollen.

Sigmund Freud prägte den Begriff des „Lustprinzips“, das den Drang des Menschen beschreibt, sofortige Befriedigung seiner Wünsche und Bedürfnisse zu suchen. Primäres Glück ist dabei auf die Erfüllung grundlegender Bedürfnisse und kurzfristige Wünsche ausgerichtet, ohne die langfristigen Konsequenzen oder die tiefere Bedeutung zu berücksichtigen.

Carl Jung erweiterte dieses Verständnis in seiner Theorie des „individuellen Prozesses“ (Individuation), indem er primäres Glück als einen Zustand der Balance und Harmonie in der Psyche beschrieb. Er betonte, dass wahres Glück nicht durch sofortige Befriedigung von Bedürfnissen erreicht wird, sondern durch ein tieferes Verständnis und die Integration der unbewussten Aspekte des Selbst. Dieser Zustand ist dem sekundären Glück zuzuordnen, das sich aus nachhaltigen, inneren Veränderungen speist.

Im Zusammenhang mit Future Faking lässt sich sagen, dass viele Menschen in diesem Muster oft einem primären Glück hinterherjagen – sie suchen nach sofortiger Befriedigung, die sie durch die Illusion einer besseren Zukunft erhalten. Doch dieses Streben verhindert, dass sie sich mit der wahren, tieferen Erfüllung auseinandersetzen, die nur durch Selbstakzeptanz und nachhaltige Veränderung erreicht werden kann.

Was kannst du tun, um dich diesem Muster zu stellen?

1. Akzeptiere den IST-Zustand

Der erste und wichtigste Schritt auf dem Weg zur Heilung ist die Akzeptanz des Ist-Zustandes. Du kannst keine positive Zukunft manifestieren, wenn du die Gegenwart nicht akzeptierst. Das bedeutet, dass du dich deinen Ängsten, Unsicherheiten und Blockaden stellen musst. Erst wenn du die Realität deines jetzigen Moments anerkennst, kannst du die notwendigen Schritte zur echten Veränderung unternehmen. Akzeptiere, was du jetzt fühlst und wo du jetzt stehst.

2. Übernimm Verantwortung für dein Jetzt

Anstatt zu warten, dass sich in der Zukunft etwas verändert, solltest du die Verantwortung für dein Leben im Hier und Jetzt übernehmen. Frage dich selbst: „Was kann ich jetzt tun, um die Veränderung zu aktivieren, die ich mir wünsche?“ Indem du mit kleinen, konkreten Schritten im Jetzt beginnst, richtest du deine Energie nicht länger auf eine unerreichbare Zukunft, sondern auf den Weg, der heute vor dir liegt.

3. Erlaube dir Selbstmitgefühl

Selbstmitgefühl ist eine der zentralen Zutaten, um aus dem Muster des Future Faking herauszukommen. Es ist nicht leicht, sich dem Ist-Zustand zu stellen, vor allem, wenn dieser schmerzhaft ist. Du wirst auf Widerstand stoßen – sowohl von dir selbst als auch von anderen. In diesen Momenten ist es entscheidend, geduldig und liebevoll mit dir umzugehen. Veränderungen brauchen Zeit, und du hast das Recht, dir diese Zeit zu geben. Selbstmitgefühl bedeutet, deine Ängste und Hoffnungen nicht zu verurteilen, sondern sie zu akzeptieren. Auch das Annehmen des Moments, in dem ein Traum unerreichbar erscheint, ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Heilung.

4. Loslassen des rationalen Plans

Der Wunsch nach Veränderung und Manifestation führt oft zu Chaos, was bedeutet, dass der geplante Weg nicht immer genau der sein wird, den du dir ursprünglich vorgestellt hast. Ein erfolgreicher Unternehmensaufbau kann zum Beispiel von einer Insolvenz begleitet werden. Oder du musst dich wieder einer Anstellung widmen oder Sozialleistungen in Anspruch nehmen – scheinbare Rückschritte, die in Wahrheit oft zu den wertvollsten Lernprozessen gehören. Wer in der Lage ist, diese Etappen als Teil des Prozesses zu akzeptieren, kann das Future Faking loslassen und sich auf echte Veränderungen einlassen.

5. Kleine Schritte statt Größenwahn

Der Wendepunkt kommt, wenn du erkennst, dass die Lösung nicht in einer fernen Zukunft liegt, sondern im Jetzt. Wenn du dich im Future Faking befindest, hast du die Kontrolle über den Moment verloren. Es ist von entscheidender Bedeutung, dich wieder mit dem Jetzt zu verbinden und aus diesem Moment heraus zu handeln. Beginne mit kleinen, erreichbaren Schritten, auch wenn sie bescheiden erscheinen. Echte Manifestation geschieht nicht durch das Warten auf eine perfekte Zukunft, sondern durch die Entscheidungen, die du heute triffst und die Handlungen, die du im Hier und Jetzt setzt.

6. Höre auf, immer noch mehr sein zu wollen

Häufig ist das Muster des Future Faking auch mit dem Zwang verbunden, immer mehr zu lernen, zu schaffen, zu besitzen oder zu optimieren. Um nicht zu fühlen, was ist, strebt man nach ständiger Verbesserung – sei es durch den Besuch von Fortbildungen, den Erwerb neuer Methoden, das Erschaffen eines perfekten Körpers oder das Streben nach unerreichbaren Zielen. Unsere Konsumgesellschaft fördert dieses Denken, da es die Marktwirtschaft am Laufen hält. Frage dich selbst: Braucht es wirklich all diese Dinge? Warum mache ich das? Überprüfe ehrlich, ob es wirklich notwendig ist oder ob du damit nur verdrängst, zu fühlen was ist.

7. Schweigen ist Gold

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Veränderung ist es, dir selbst zu erlauben, in die Stille zu sinken. Kein Bedürfnis mehr nach Bestätigung von außen. Kein Erzählen oder Posten, um Aufmerksamkeit zu bekommen und sich mit der „Zielidentität“ zu identifizieren. Du darfst dich natürlich in deine Vision begeben, aber der wahre Schritt zur Veränderung erfordert Selbstdisziplin, die eine der höchsten Formen von Selbstliebe darstellt. Ohne diese Disziplin ist es schwer, aus narzisstischen Mustern herauszukommen. Wenn du dich vom äußeren Lärm distanzierst, gewinnst du die Klarheit, die du für deine wahre Manifestation benötigst.

8. Umgebe dich mit Klarheit und Menschen, die den Weg mit dir gehen

Ein letzter wichtiger Schritt ist es, dich mit Menschen zu umgeben, die dir helfen, in Klarheit zu leben und dich nicht in Illusionen zu verlieren. Umgebe dich mit Menschen, die bereit sind, dich herauszufordern, die Wahrheit zu erkennen und dich zu ermutigen, die notwendigen Schritte zu unternehmen. Vermeide Beziehungen, die dich in deinen Illusionen halten – sei es durch das ständige Aufschieben von Zielen oder das Versprechen einer besseren Zukunft, ohne echte Veränderungen zu schaffen. Wage es, Freundschaften mit Menschen zu führen, die unbequem sind und dich so lieben, wie du wirklich bist – nicht die Version von dir, die es noch gar nicht gibt.

Wie ich das Future Faking bei mir selbst erlebt habe

Auch ich war Meisterin darin, mir eine bunte Zukunft, eine ideale Beziehung und das perfekte Leben vorzustellen. Ich malte mir jedes Detail aus, visualisierte es, meditierte und manifestierte praktisch 24 Stunden am Tag. Diese Vorstellung einer besseren Zukunft gab mir den nötigen Halt, um die Jahre der chronischen Erschöpfung zu überstehen. Die Metagraphie, die ich damals erfand, half mir dabei, mich durch diese Zeit zu navigieren. Aber der wirkliche Change kam nicht durch endloses Visualisieren – der wahre Wandel begann, als ich damit aufhörte…

Ich zwang mich irgendwann einfach dazu, jeden Tag mit meinem Hund eine Runde Gassi zu gehen. Das mag simpel klingen, doch für mich bedeutete das enorme Überwindung. Es bedeutete, dass ich aufstehen musste, dass ich mich waschen, meine Haare kämmen, mich anziehen und den Hund anleinen musste. Das waren für mich damals bereits unvorstellbar anstrengende Aufgaben. Ich musste an Tüten und Leckerli denken, den Schlüssel nehmen und schließlich das Haus verlassen. Es war jedes Mal eine unendliche Anstrengung, die mich danach oft noch stundenlang erschöpfte. Aber ich versuchte es. Manchmal gelang es mir, manchmal blieb ich einfach liegen. Aber in meinem Kopf hatte sich etwas verändert: Ich hatte wirklich vor, es zu tun, und ich probierte es. In dieser Zeit musste ich die Vorstellung einer perfekten Zukunft tatsächlich komplett loslassen. Ich dachte gar nicht mehr daran, weil ich mich auf die Bewältigung dieser einfachen Aufgabe konzentrieren musste.

Wie findet man aber das gesunde Maß zwischen Tun und Vision?

Viele haben Angst, dass sie ihre eigentliche Vision verlieren könnten, wenn sie sich den wahren Herausforderungen stellen. Das ist verständlich. Doch ich glaube, dass sich ein Gleichgewicht zwischen Sein und Tun, zwischen Umsetzung und Glaube ganz von selbst einstellen wird. Immer wieder wirst du vom Leben in Phasen der Umsetzung – oft auch auf unangenehme Weise – daran erinnert, deinen Plan zu überdenken oder neue Entscheidungen zu treffen. So wirst du automatisch zu deiner Vision zurückkehren. Du kannst deinen Lebensplan nicht verpassen. Du kannst deine Vision nicht verlieren. Die Vorstellung, dass du „etwas verpasst“ oder „nicht groß genug denkst“, ist meist einfach YOLO-Denke, die das primäre Glück und in verzerrter Weise auch wieder das Leistungsprinzip befeuert. Diese Gedanken sind gesellschaftlich weit verbreitet, weil sie gut vermarktet werden und eine Vielzahl an Produkten und Dienstleistungen verkaufen. Doch sie führen dich nicht weiter. Was wirklich zählt, ist, deinen Weg zu gehen und ihm zu vertrauen. Nur auf diesem Weg, im Gehen, wirst du wirklich leben. Der Weg ist wirklich das Ziel und nur so wirst du ankommen. Alles andere bleibt ein Traum mit offenen Augen.

Nela

ist Coach, Designerin und Entwicklerin der Metagraphie®.